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KATZEN UND KLICKERTRAINING

ÃœBER MECHANISCHE KÃœNSTE

Am Beginn der großen wissenschaftlichen Revolution im 17. Jahrhundert stand die machtvolle Verbindung von Technik und Wissenschaft. Sie hatte die gesamte westliche Zivilisation geprägt. Diese Verbindung festigte sich im 17. und 18. Jahrhundert und erfaßte danach die ganze Welt. In der Antike und im Mittelalter findet man dagegen nichts entsprechendes. Das griechische Wort banausia meint wie die "mechanischen Künste" des Mittelalters die niedere Handarbeit. In Platons Gorgias  sagt der Redner Kallikes, daß ein Erzeuger bloßer Geräte keine Achtung verdiene und daß wohl niemand gerne einem solchen banausos die Hand seiner Tochter geben werde. Auch laut Aristoteles gehörten Handwerker und Arbeiter nicht zur Polis im engeren Sinn. Sie unterschieden sich in seinen Augen von Sklaven nur dadurch, daß sie nicht die Bedürfnisse eines einzigen Herren, sondern die vieler Personen erfüllten.

Die Spaltung zwischen Sklaven und freien Bürgern war nicht selten gekoppelt mit einer Unterscheidung zwischen Technik und Wissenschaft oder der zwischen praktischen Kenntnissen und dem Erkennen der Wahrheit. Die Geringschätzung gegenüber Sklaven umfaßte auch deren Arbeitsgebiete. Während die sieben freien Künste des Triviums (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und Quadriviums (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) eine Domäne freier Bürger blieben, durften Unfreie und Sklaven nur handwerkliche und mechanische Tätigkeiten ausüben. [...] Vor diesem Hintergrund wird erst klar, welch große Bedeutung die aufkommende Wertschätzung der mechanischen Künste in den Handbüchern der Ingenieure und Maschinenbauer des 16. Jahrhunderts hat.

 

aus: Paolo Rossi, "Daedalus sive mechanicus", http://www.scuoladirobotica.it/lincei/docs/RossiAbstract.pdf

SCHRÖDINGERS KATZE

"Man kann auch ganz burleske Fälle konstruieren. Eine Katze wird in eine Stahlkammer gesperrt, zusammen mit folgender Höllenmaschine (die man gegen den direkten Zugriff der Katze sichern muß): in einem Geigerschen Zählrohr befindet sich eine winzige Menge radioaktiver Substanz, so wenig, daß im Laufe einer Stunde vielleicht eines von den Atomen zerfällt, ebenso wahrscheinlich aber auch keines; geschieht es, so spricht das Zählrohr an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäure zertrümmert. Hat man dieses ganze System eine Stunde lang sich selbst überlassen, so wird man sich sagen, daß die Katze noch lebt, wenn inzwischen kein Atom zerfallen ist. Der erste Atomzerfall würde sie vergiftet haben. Die Psi-Funktion des ganzen Systems würde das so zum Ausdruck bringen, daß in ihr die lebende und die tote Katze  (s.v.v.) zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert sind. Das Typische an solchen Fällen ist, daß eine ursprünglich auf den Atombereich beschränkte Unbestimmtheit sich in grobsinnliche Unbestimmtheit umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung entscheiden läßt. Das hindert uns, in so naiver Weise ein „verwaschenes Modell“ als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen. An sich enthielte es nichts Unklares oder Widerspruchsvolles. Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten oder ein unscharf eingestellten Photographie und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden.“

 

Erwin Schrödinger, Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik. § 5. Sind die Variablen wirklich verwaschen?, 1935

NACHTRAG ZUM TURING-TEST

Wir alle kennen Alan Turings berühmtes "Imitationsspiel", das als Test fungieren sollte, ob eine Maschine denken kann. Wir kommunizieren mit zwei Computer-Interfaces und stellen ihnen jede nur denkbare Frage; hinter einem der Interfaces sitzt ein Mensch, der die Antworten tippt, während es hinter dem anderen eine Maschine ist. Wenn wir anhand der Antwonen, die wir erhalten, die intelligente Maschine nicht mehr von dem intelligenten Menschen unterscheiden können, dann, so Turing, beweist unser Unvermögen, daß Maschinen denken können. Weniger bekannt ist, daß es bei Turing in der ersten Fassung dieses Experiments nicht darum ging, zwischen Mensch und Maschine zu unterscheiden, sondern, zwischen Mann und Frau. Wie kommt es zu dieser merkwürdigen Verschiebung zwischen Mensch und Maschine? Lag dies einfach an Turings Exzentrizität (man erinnere sich an die Schwierigkeiten, die er aufgrund seiner Homosexualität hatte)? Einigen Interpreten zufolge muß man die beiden Experimente einander gegenüberstellen. Eine erfolgreiche Imitation der Antworten einer Frau durch einen Mann (oder umgekehrt) würde gar nichts beweisen, da die Geschlechtsidentität nicht von Symbolsequenzen abhängt, während die erfolgreiche Nachahmung des Menschen durch eine Maschine beweisen würde, daß diese Maschine denkt, denn Denken ist letzdich nichts anderes als die richtige Sequenzierung von Symbolen... Aber was, wenn die Lösung des Rätsels wesentlich einfacher und radikaler ist? Was, wenn die sexuelle Differenz nicht einfach nur ein biologisches Fakrum ist, sondern das Reale eines Antagonismus, der das Menschsein definiert, so daß man einen Menschen tatsächlich nicht mehr von einer Maschine unterscheiden kann, wenn die Geschlechterdifferenz abgeschafft ist.

 

Slavoj Žižek, Die gnadenlose Liebe

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